Retro ist modern, Retro liegt im Trend, und das bereits seit vielen Jahren. Vor allem bei Musik und Kleidung ist ein rückwärtsgerichteter Trend (Retro-Rock, Vintage-Look) seit mehr als 10 Jahren auf dem Vormarsch.
Aber auch Möbeldesigner und Automobilhersteller orientieren sich heute an ehemals erfolgreichen Design-Klassikern. Die Retrowelle bescherte uns z.B. den „VW New Beetle“, den „BMW Mini“ oder neuerdings den „Fiat 500“ (Cinquecento). Hier wird der „Geist“ der 60er- und 70er-Jahre eingefangen und ganz offensichtlich mit zeitgemäßer Technik und neuen Designelementen kombiniert.
In Sachen Retro-Möbeldesign wird der Betrachter jedoch oftmals im Unklaren darüber gelassen, ob bei Kugelsessel, Freischwinger, Sitzsack oder der gesamten Schrankwand, eine alte Designlinie neu aufgelegt wurde oder inwiefern diese Retro-Möbel komplett neu- bzw. re-designt sind.
Auch 70er-Tapeten mit blumigen „Flower-Power“- Mustern sind wieder aktuell und selbst Teppiche in kräftigen, knalligen Farben werden wieder ver- und gekauft.
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„Space Age“-Revisited möchte man sagen, wenn man in einer orangefarbenen Bar oder Lounge sitzt, während Lava-Lampen blubbern, Glasfaser-Lampen rotieren und man sich als bekennender Nostalgiker nicht zwischen „Ahoj-Brause“ und „Tri-Top“ entscheiden kann.
Ja, selbst Marken feiern heutzutage ein Revival, denn bei Brausepulver (Ahoj) bzw. Getränke-Sirup (Tri Top) entscheidet nicht unbedingt der Inhalt über das Revival-Potential, sondern eher die dahinter liegende Markenwelt und das altbewährte/kultige Verpackungsdesign. Scheinbar sind sowohI Markennutzer als auch Markenmacher vom Retro-Trend infiziert und fasziniert. Anders kann man es nicht formulieren, denn „Creme 21“ oder die zuvor genannten Produkte sind ja nicht gerade Kult-Objekte wie etwa ein Klappzahlenwecker, ein Atari-Joystick oder eine Retro-Trainingsjacke aus den 70ern.
Natürlich muß man sich in diesem Zusammenhang die Frage stellen, wie und warum die Wiederauferstehung antiquierter Marken und Design-Trends überhaupt funktioniert. Hierbei ist es wichtig zu wissen, daß das Siebziger-Jahre-Design damals wie heute nicht völlig unvermittelt über uns hereinbrach, denn dieser Trend hatte seinen Ursprung in der klassischen Moderne bzw. im sog. Funktionalismus. Die Form und Gestaltung folgte der Funktion bzw. dem Verwendungszweck und wurde unter dem Leitspruch „Form follows function“ (Louis Henri Sullivan) zusammengefasst, dessen Sachlichkeit und Zweckform beispielsweise im Bauhaus-Stil konsequent umgesetzt wurde. Die Formgebung wurde als ein Ergebnis der Funktion wahrgenommen und sollte sich dieser unterordnen, was vor allem in den Bereichen Architektur, Alltags- und Möbeldesign Eingang fand. Dennoch waren auch zu jener Zeit gegenläufige Trends bzw. Überschneidungen mit anderen Stilen (Futuristisches Design, Googie, Plastic Age, Swinging Sixties) und Denkweisen zu beobachten, z.B. überführte der dänische Designer Verner Panton in den späten 60er-Jahren Pop-Art und psychedelische Kunstelemente in die Design-Welt der Möbel. Zusammen mit gleichgesinnten Zeitgenossen wie Joe Colombo (Rollcontainer Boby), Arne Jacobsen, Charles Eames (Lounge Chair), Eero Saarinen (Tulip Chair) oder auch Vico Magistretti (Sessel/Sofa Maralunga), Olivier Mourgue (Djinn Chairs bekannt aus „2001: A Space Odyssey“ von Stanley Kubrick) und Anna Castelli Ferrieri (Fa. Kartell, Stapelelemente 4970/4953) begann die Blütezeit des Kunststoff- bzw. Plastik-Zeitalters.
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